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Gegenseiten
Presse
© Badische Zeitung Online vom 07.04.2003

Traum vom Leben ohne Hass

Uraufführung der deutsch-israelisch-palästinensischen Produktion "Gegenseiten" in Heilbronn
Ihre Tochter ist auf dem Heimweg von der Schule, als es Ronit in den Nachrichten hört: Ein Selbstmordattentäter hat in Jerusalem einen Bus in die Luft gesprengt. Es ist ein Familiengesetz, nach einem Anschlag sofort zu Hause anzurufen. Die Mutter wartet. Die Tochter meldet sich nicht. Alltag in Israel. Szenenwechsel: Der Moshe Nissim, genannt Kurdi-Bear, erzählt vom Niederwalzen arabischer Siedlungen mit der Planierraupe: "Ich will so viele Häuser wie möglich zu fassen kriegen." Das Leben der Palästinenser kümmert ihn nicht. Das ist die Gegenseite. Alltag in Palästina. Zwei Szenen von zehn aus dem Brennpunkt Nahost und den Federn eines achtköpfigen israelisch-palästinensischen Autorenkollektivs, die am Stadttheater in Heilbronn unter dem Titel "Gegenseiten" uraufgeführt wurden.

"Ich bin von hier. Das ist meine Heimat." Noch sind sie ein Volk. Auf der spärlich mit Steinen und einer gläsernen Wasserwanne ausgestatteten, schräg angelegten Bühne (Ausstattung: Florian Parbs) liegt der Fokus auf den zehn Schauspielern, deren Porträt auf einer Leinwand erscheint und die wie anklagend Front bilden gegen das Publikum. Maßvolle Lichtführung und musikalische Effekte (Musik: Klaus Hollinetz) verstärken die Szenerie. Die Grundhaltung ist aggressiv. Zeitgleich mit dem symbolträchtigen Aufheben der Backsteine erfolgt die Spaltung in zwei Lager. Die Spirale von Hass und Gewalt dreht sich. Stellt der Münchner Regisseur Elmar Fulda biblische und gesetzmäßige Erklärungen an den Anfang, zeigt sich im Verlauf des Stücks, wie unterschiedlich die Auffassung von Heimat und Recht auf beiden Seiten ausgelegt wird.

Die zu Anfang textlastigen Passagen erfordern genaues Hinhören und wirken abstrakt. Doch im weiteren Verlauf gewinnen die Bilder an Authentizität. Die Absicht Fuldas, den Blick hinter die Kulissen der Schlagzeilen des blutigen Konflikts zu lenken, an die sich die Augen der Welt gewöhnt haben, gelingt im Ansatz. In der Mehrheit der Bilder bleiben die Darsteller indes auf Distanz zu den Figuren. Die Betonung liegt auf der Willkür von Anordnungen, die im Absurden gipfeln, wenn beide Seiten dasselbe wollen: "Raus aus der Hölle, in der wir leben." Dass der Traum vom Frieden auf beiden Seiten der Absperrung geträumt wird, ist eine der Aussagen des Stücks. Die andere: Dass es zwei Wahrheiten gibt, je nach Blickwinkel. Ein anderer, menschlicher Konflikt ist der, den jeder mit sich selbst ausmacht: Vorurteile gegenüber der Gegenpartei auf der einen Seite, Interesse für die jeweils andere Kultur auf der anderen.

Feine Ironie und hintergründiger Witz helfen, den schweren Stoff zu verdauen, der die Zuschauer schrittweise an die schreckliche Wahrheit heranführt: Dass der Tod Teil des täglichen Lebens ist und in allen Bereichen Einzug hält. Wie bei der Dame aus der israelischen Oberschicht (brillant: Ingrid Richter-Wendel), die den Verlust von Menschenleben als ebenso störend empfindet wie Margarine in ihrer Gänseleber. Bei der von Karen Schweim überzeugend gemimten seelisch zerrütteten Mutter, für die der Tod des Babys in der Wanne der einzige Ausweg aus der hoffnungslosen Zukunft ist. Und bei den beiden Müttern (Marie-Louise Gutteck, Elke Borkenstein), die für ihre Sorge um die Töchter extra Applaus ernten.

Passagen aus authentischen Berichten ergänzen die Szenencollage und wirken als mantrahafte Rezitation in der Gruppe beklemmend. Die Polarität wird optisch nur durch Palästinensertücher und Sonnenbrillen herausgestellt. Es bleibt derselbe Mensch. Das gibt zu denken. Die Gegenseiten prallen aufeinander: Dienstvorschrift oder Appell an die Humanität? Selbstzweifel bis hin zur Identitätskrise durch die ständig präsente Doppelmoral. Der Zuschauer fühlt sich genötigt und zugleich unfähig, für die eine oder die andere Seite Partei zu ergreifen. Doch "Gegenseiten" liefert keine Antworten. Am Schluss stehen wieder die Nachrichten. Das Leben geht weiter. Diesmal hinter den Kulissen der offiziellen Berichterstattung. Fuldas Intention war: "Das Publikum darf nicht unbeteiligt rausgehen." Das ist ihm gelungen. Minutenlanger Applaus für die Schauspieler und teils stehende Ovationen für Regisseur und Autoren.

Monika Köhler

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© Die Welt vom 10.04.04
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Berichte des Grauens

Projekt

Heilbronn  -  Zehn Schauspieler auf fast leerer Bühne reiben Steine aneinander; das bedrohliche Knirschen geht unter die Haut. "Ich spreche von einem Land, in dem Autobomben explodieren", intonieren sie im Chor. Mit dokumentarischer Sachlichkeit beginnt im Theater Heilbronn die Inszenierung von "Gegenseiten", ein Stück, geschrieben von acht israelischen und palästinensischen Autoren.
Seit eineinhalb Jahren arbeiten Anat Gov, Elisheva Greenbaum, Dorine Munayyer, Ilan Hatsor, Sameh Hijazi, Imad Jabarin, Motti Lerner und Salman Natour an diesem Auftragswerk. Die Uraufführung dieses szenischen Projektes zum Thema Palästina-Konflikt setzte ein Zeichen der Menschlichkeit und Völkerverständigung. Doch es war nicht mehr als politisch korrektes Goodwill. Dabei hat Regisseur Elmar Fulda alles richtig gemacht. Unaufwendig verband er die einzelnen Texte mit Musik, erregendem Dokumentamaterial und Gedichten zu einer stimmigen Szenenfolge. Trotzdem blieb alles blass: Die Farce über das Blinddate eines israelischen Geheimagenten und einer palästinensischen Selbstmordattentäterin, der Monolog einer Mutter, deren Mann als Kollaborateur hingerichtet wurde - es sind Berichte über die grauenvollen Lebenswirklichkeiten der Autoren, aber keine theatralisch starken Stücke.

Termine: 10., 16. April; Karten: (07131) 563001

von Claudia Gass

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© Die Rheinpfalz 08.04.2003

Menschen an der Grenze
Theater-Projekt mit israelischen und palästinensischen Autoren in Heilbronn

Das Projekt "Gegenseiten" ist Teil jener wichtigen Reihe, mit der das Heilbronner Theater einmal pro Spielzeit den Nahen Osten thematisiert und sowohl israelische als auch arabisch-palästinensische Standpunkte auf die baden-württembergische Bühne bringt. Diesmal allerdings kommt die Uraufführung von "Gegenseiten" auch zur rechten Zeit - in einer Situation, in der die Medien ausschließlich in Richtung Irak starren und der israelisch-palästinensische Bürgerkrieg in der öffentlichen Wahrnehmung zur Petitesse zu werden droht. "Gegenseiten" stellt das richtig. Dass man in Heilbronn israelische, palästinensische und israelisch-arabische Autoren auf die Situation im Nahen Osten hat reagieren lassen, zeigt, dass Theater wichtig sein kann - als Gegenöffentlichkeit.
 
Es liegt in der Natur der Sache, dass die dabei entstandenen zehn Texte sehr unterschiedlich ausgefallen sind. Man versteht trotzdem, dass man in Heilbronn das alles in einen Theaterabend packen wollte. Das kann funktionieren, da die Kurzdialoge allesamt Seelenlagen von Menschen im permanenten Krisengebiet behandeln und sich thematisch überschneiden. Immer wieder geht es um den Checkpoint, an dem Macht und Ohnmacht, Hilflosigkeit, Überforderung, Zynismus, Wut und theatrale Ausweichmanöver aufeinander treffen - wie in "Cafe Jerusalem" von Anat Gov, in dem eine Frau und ein Mann sich in einem Cafe verabreden. Die beiden müssen nacheinander die Personenkontrolle überstehen. Da wird ein Verlobungsring zum Anlass für paramilitärisches Verhalten des Wachmannes und der erste scheue Kuss zu einer klinischen Handlung im Hochsicherheitstrakt. Die Autorin setzt auf die Komik solcher Situationen, scheitert allerdings am Ende, wenn sie das Ganze toppen will und der Mann ein israelischer Geheimdienstler sein darf, während die Frau eine Sprengstoffgürtel-Attentäterin ist. Der Witz wird zur dezent frivolen Konstruktion.

Anat Gov ist Israels bekannteste Komödienschreiberin, Sameh Hijazi eine Institution des palästinensischen Theaters. Er leitet nach vielen Kämpfen das Nationaltheater in Ost-Jerusalem, hat mit "Ghassan und der Arrak" die hintergründigste Parodie geschrieben und zeigt, wie jüdische und arabische Klischees am Checkpoint aufeinander treffen. Ghassan will Arrak fürs Abendessen besorgen. Eine israelische Offizierin greift ihn auf und glaubt nicht, dass Moslems trinken. Der charmante Ghassan flirtet und will nicht wahrhaben, dass schöne Frauen Uniformen tragen können.

Mit Govs und Hijazis Texten hat Uraufführungsregisseur Elmar Fulda genauso wenig Probleme wie mit Imad Jabarins "Spiel den Araber". Im kurzen Stück des israelischen Autors und Schauspielers verwandeln zwei Männer sich in einen Araber und dessen Frau. Das Ganze könnte Theater im Theater sein. In einem knappen Schlussbild entpuppen die beiden sich allerdings als Mordkommando des israelischen Geheimdienstes. Das friendly couple schlitzt einem palästinensischen Terroristen die Kehle auf. "Ich mag das Theater nicht, ist mir zu brutal", sagt einer der verkleideten Killer und könnte Motti Lerners "Ein Soldat kommt heim" meinen. Der neben Joshua Sobol wichtigste israelische Theaterautor zeigt immer wieder schonungslos Kehrseiten Israels. In seinem Text für Heilbronn kommt ein junger Soldat von seinem Dienst am Checkpoint heim zu den Eltern, die nicht verstehen, warum ihr anscheinend so kraftstrotzender Sohn reif für die Psychiatrie ist. Der Grund: An der Checkpoint-Front ist man nur dann ein ganzer Kerl, wenn palästinensische Jugendliche mit einem Blattschuss erledigt werden. Er allerdings musste mehrmals schießen, und in der Tasche des jungen Palästinensers waren nicht Bomben, sondern Bücher.

Aus dem Text müsste ein hartes Stück israelischer Realität werden. In Heilbronn wird kurz nach der Pause allerdings einmal mehr deutlich, dass Elmar Fulda alles in allem hoffnungslos überfordert war. Die Familie im Lerner-Stück wirkt, als sei man in eine TV-Soap geraten. Und versucht Fulda in anderen Fällen in Tiefenstrukturen eines Textes vorzudringen, wird nicht selten therapeutisches Klage-Theater daraus. Manchmal fragt man sich, wer da vor wem hätte geschützt werden müssen: der Regisseur vor dem Heilbronner Ensemble oder umgekehrt?

Weitere Termine
9., 10., 16. April. Karten: 07131/ 56 30 01 oder 07131 / 56 30 50.

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Verschärfte Spielregeln im Niemandsland Palästina


Wer protestiert, wird respektiert - und sei es im Restaurant gegen einen schlechten Wein. Oder, noch verheerender, gegen Gänseleber mit Margarine.
"Schlimmer als die Besatzung", scherzt die aufgeklärte linke Dame der israelischen Gesellschaft und nährt ihre politisch korrekten Tagträume und Sonntagsreden, in denen sie sich couragiert für die unterdrückten Palästinenser stark macht. Eine Szene, die voll subtiler Ironie den Blick richtet auf einen Konflikt, der es verbietet, einfach von Tätern und Opfern zu sprechen in dieser Gemengelage von Unverständnis, Hass, Rache und Vergeltung. Anat Govs theatralische Verdichtung, glänzend mit Leben erfüllt von Ingrid Richter-Wendel, ist eine von zehn Szenen aus der Feder acht israelischer und palästinensischer Autoren, die den Kern bilden von "Gegenseiten ". Offene Wunde Nahost oder wie privates Leben unter der täglichen Bedrohung funktioniert: Am Samstag feierte das israelisch-palästinensisch-deutsche Projekt Uraufführung am Stadttheater Heilbronn.

Wem gehört das Land? "Ich bin von hier", "hier ist ich " und ähnliche Fragen der Identität haben im Nahen Osten einen anderen Tonfall. Mit den Palästinensern ist derzeit kein Staat zu machen und auch nicht mit den Israelis.

Während die Selbstmordattentäter den Krieg im Krieg schüren, verschanzt sich die Besatzungsmacht in ihrer Paranoia und vergessen beide Völker in diesem Teufelskreislauf das Leben.

Knapp eineinhalb Jahre sind vergangen, seit das Heilbronner Theater auf Initiative seiner Doppelspitze Klaus Wagner/Jürgen Frahm erste Gespräche in Jerusalem führte, bis die Textcollage "Gegenseiten" in der Regie von Elmar Fulda ins Große Haus kam. Da karikiert Ilan Hatsors "Ein Tag im Leben des Ministerpräsidenten" den Machtzyniker Sharon als Diktator, Andrea Köhler stutzt ihn auf das Pappmaché-Format eines Michelin-Männchens. Oder transportieren Karen Schweim und Adrian Scherschel in Elisheva Greenbaums Dialog "Unter Einhaltung der Dienstvorschrift" den Verlust von Idealen beim Versuch, Frieden mit den Mitteln der Gewalt zu verordnen. Vor allem Schweims bei aller Emphase unaufgeregtes Spiel versinnbildlicht die Quadratur des Kreises. Eine todernste Angelegenheit also, wie auch Imad Jabarins "Spiel den Araber" mit Luis Madsen und Felix Würgler.

Um die lose Szenenfolge hat Fulda Passagen aus dem Alten Testament, dem Koran, aus Interviews, Zeugenaussagen, Opferberichten und mehr montiert, als dramaturgische Klammer und als Hintergrund für den deutschen Zuschauer. Herausgekommen sind Momentaufnahmen unterschiedlicher dramatischer Qualität, die als Ganzes - das ist die Stärke dieser Inszenierung - ein geschlossenes Panorama zeichnen. Nahtlose Übergänge wechselnder Situationen und Orte sorgen für Rhythmus auf der von Florian Parbs eingerichteten Bühne. Und lassen erahnen, was passiert, wenn Gewalt, Hass und Angst ins Gehirn und Herz der Massen kriechen. Am stärksten sind die Szenen, die nicht schulmeisterhaft eins zu eins übersetzen, vielmehr den Wahnsinn brechen. Dann entstehen kraftvolle Theatermomente voller Poesie, etwa wenn aus Michael Langers Araber und aus Marie-Louise Guttecks schneidiger Soldatin in Sameh Hijazis " Ghassan und der Arrak" die ungewollte Komik herrschender Vorurteile spricht. Anderes bleibt plakativ wie der Monolog einer Mutter, die ihr Baby ertränkt, nachdem ihr palästinensisches Volk ihren Mann, einen Kollaborateur, richtet.

Oder die Geschichte vom traumatisierten Frontsoldaten, der sich mit Ketschup bespritzt. Eine choreografisch-schauspielerische Leistung dennoch: die Rangelei von Elke Borkenstein und Udo Grunwald über und unter Wasser.

Auf der in den Zuschauerraum greifenden und nach hinten ansteigenden Rampe genügen wenige Mittel und pure Materialien wie Pflastersteine, Erde, ein paar Stühle und ein Bassin wie ein Aquarium, um den Alltag zwischen Ramallah und Jerusalem und dem Niemandsland dazwischen greifbar zu machen. Immer wieder blicken Schauspieler sprachlos in einer überdimensionierten Videosequenz von der Leinwand herab und projizieren stumme Resignation.

Elmar Fulda, der vom zeitgenössischen Musiktheater kommt, vertraut der ästhetischen Kraft der Musik und hat dafür in Klaus Hollinetz einen souveränen Partner. Geräuschfetzen und Klangkörper werden zur Drohkulisse, setzen Kontrapunkte, während uns das Ensemble als antiker Chor seine Kassandrarufe frontal entgegenschleudert.

Was bleibt? Ein weiß-rotes Absperrungsband zwischen zwei Stühlen, schmutziges Wasser, verbrannte Erde, Sandsäcke. Und viel verdienter Applaus. Nach knapp drei Stunden reiben die fünf Frauen und fünf Männer wieder Steine aneinander, unmissverständlich. Was Fuldas Regie unterm Strich vernachlässigt, ist ein schärferer Blick auf die Gegenseite von "Gegenseiten", auf die palästinensische Strategie. Ihr, so entsteht der Eindruck, gilt das größere Verständnis.

Von Claudia Ihlefeld

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©Stuttgarter Nachrichten vom 08.04.2003

Israelisch-palästinensischer Theaterabend in Heilbronn
Leben im Krieg

Eine junge Israelin will mit ihrer Schwester zur Friedensdemo, doch diese verweigert dies mit Hinweis auf ihre familiären Probleme. Ein Selbstmordattentat stellt all diese Pläne auf den Kopf: Gehören die eigenen Kinder zu den Opfern?

Eine Szene aus einem Land, in dem seit Jahrzehnten Krieg herrscht: "Gegenseiten - Israeli und Palästinenser" heißt das Stück, das im Heilbronner Stadttheater uraufgeführt worden ist. Der israelische Autor Motti Lerner, von dem bereits drei Stücke in Heilbronn zu sehen waren, und Intendant Klaus Wagner hatten vor zwei Jahren die Idee, israelische und palästinensische Autoren zusammenzubringen für einen Theaterabend. Das Resultat ist eine Collage von elf Stücken, variierend zwischen Drama, Anklage und satirischer Zuspitzung, zwischen Kammerspiel und Ein-Personen-Stück.

"Die Demonstration" heißt das bereits erwähnte Stück der Lyrikerin Elisheva Greenbaum. Wie der lebenskluge Araber eine israelische Soldatin verwirrt trotz falscher Papiere und Ausgangssperre, beschreibt Sameh Hijazi, künstlerischer Leiter des Palästinensischen Nationaltheaters in Ost-Jerusalem.

Regisseur Elmar Fulda lässt die zehn Schauspieler zunächst mit grimmigen Gesichtern auftreten, die Pflastersteine aufheben und damit unter anderem das Publikum bedrohen. Dazu fallen Sätze wie "Kein Palästinenser ist frei von Schuld. Vernichtet sie alle" oder "Palästina ist als Stiftung den Moslems geweiht bis zum Tage des Jüngsten Gerichts". Die Inszenierung kommt schwer in Gang mit ihrem Anklagepathos auf der nüchternen Holzfläche (Ausstattung: Florian Farbs), auf der sich außer den Steinen ein durchsichtiger Wasserbehälter und später noch einige Stühle sowie etwas Blumenerde befinden. Viel mehr darf es auch gar nicht sein, gilt es doch, quasi fließend völlig verschiedene Szenarien zu realisieren.

Ein leichtes Spiel haben Luis Madsen als Amit und Felix Würgler als Jariv in "Spiel den Araber" des israelischen Schauspielers Imad Jabarin. Sie sind zwei israelische Geheimagenten, die sich zwecks Tötung eines Palästinensers soeben als arabisches Ehepaar verkleiden und dabei über Frauen und über arabische im Besonderen schwadronieren. Karin Schweim als Nijma ist in "Nijma, ihr Sohn und der Tod" von Dorine Munayyer vom Palästinensischen Nationaltheater eine Mutter, die ihr Baby ertränkt. Der Grund: Ihr Mann ist ein Kollaborateur, der schon als Junge im Lager zum Verrat gezwungen worden war. Ingrid Richter-Wendel ist in "Mein Herz schlägt links" von Anat Gov, einer prominenten Komödienautorin aus Tel Aviv, eine elegante Dame im Nobelrestaurant, der Essen und Trinken nicht gut genug sein kann und die dabei ziemlich naiv das Leiden der Palästinenser bedauert.

Es ist nicht einfach, sich stets aufs Neue in die Szenerien einzufühlen, auch wenn Fulda die schwankenden Stimmungslagen in einer gut überlegten Abfolge strategisch klug aufeinander abgestimmt hat. Und dann zünden Überraschungen wie die plötzliche Wandlung eines Blind-Date-Paares zu Geheimagenten der jeweils anderen Seite. "Gegenseiten" ist Höhepunkt und wohl auch Abschluss einer mehr als zehn Jahre währenden Beschäftigung mit Israel und Palästina am Heilbronner Theater, denn Wagner und sein Verwaltungsdirektor Frahm als treibende Kräfte gehen Ende dieser Spielzeit in den Ruhestand. Armin Friedl

Weitere Aufführungen: 9., 10. und 16. April, je 19.30 Uhr. 0 71 31 / 56 30 01

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© Stuttgarter Zeitung vom 09.04.2003

Was mag jenseits der Grenze zum Undenkbaren sein?

"Gegenseiten": ein gemeinsames Projekt israelischer und palästinensischer Autoren am Theater Heilbronn

Am Ende stehen die fünf männlichen und fünf weiblichen Darsteller an der Bühnenrampe und reiben zwei Pflastersteine aneinander. Sinnbild dafür, wie Israeli und Palästinenser sich auf engstem Raum aneinander abarbeiten, ohne dass eine Veränderung zum Positiven bemerkbar würde. In seiner letzten Spielzeit hat der Intendant Klaus Wagner noch ein Stück über Israel im Theater Heilbronn zur Uraufführung gebracht: "Gegenseiten". Diesmal geht es nicht um den Themenkomplex Juden und Deutsche, sondern um die Auseinandersetzung zwischen Israeli und Palästinensern. Ein Konflikt, der die Welt dauerhaft in Atem hält (im Augenblick durch den Irak-Krieg in den Hintergrund gedrängt), der aber praktisch unlösbar scheint, weil keine Seite zu Zugeständnissen bereit und zu Toleranz und Mäßigung fähig ist.

Auch die acht Autoren aus Israel und Palästina, die sich an diesem Theaterprojekt beteiligt haben, wissen keine Lösung, liefern keine Visionen, hegen keine Hoffnungen. Anat Gov, Elisheva Greenbaum, Ilan Hatsor, Sameh Hijazi, Imad Jabarin, Motti Lerner, Dorine Munayyer und Salman Natour beschreiben in kurzen Szenen, wie sich der Ausnahmezustand in dieser Region auf das alltägliche Leben der Betroffenen auswirkt.

Da ist zum Beispiel der Ministerpräsident, der sich diplomatische Vermittlung aus Europa verbittet, weil er weiß, wie man mit diesen "faulen, gottverdammten, verfickten, bepissten, stinkenden Scheißarabern" umzugehen hat. Oder die hysterisch-verzweifelte Mutter, die im Ungewissen ist, ob ihre Tochter in dem Bus saß, den ein Selbstmordattentäter hat hochgehen lassen. Oder der Oberstleutnant Jotam, der, bewusst Vorschriften missachtend, eine Revolution von unten anzetteln will, während seine Exfreundin, die sich mit dem System arrangiert hat, langsam ihre Selbstkontrolle, ihr Gesicht verliert: "Mein ärgster Feind - das bin ich selbst".

Überhaupt: ein Motiv, das immer wiederkehrt, ist die Entmenschlichung und Deformation der Beteiligten. Keiner kommt heil aus diesem Teufelskreis von Hass, Gewalt und Mord. Weder der Soldat, der einen Unschuldigen erschossen hat, noch das vermeintliche Liebespaar, das sich nach halbjährigem E-Mail-Austausch erstmals in einem Café trifft. Er ist Mitarbeiter des militärischen Geheimdienstes, sie eine Selbstmordattentäterin. Gemeinsam fliegen sie in die Luft, weil keiner die Grenzen zu überschreiten, das Undenkbare zu tun vermag.

Versöhnlich und witzig zugleich wirkt die Geschichte von Ghassan, der sich einen Spaß daraus macht, mit einer israelischen Soldatin so gekonnt zu flirten, dass diese einen Seitensprung in Erwägung zieht. - Der Regisseur Elmar Fulda hat die Autorenbeiträge unter Einbeziehung von gegensätzlichen Zitat-Montagen und ans antike Theater erinnernden Chor-Einlagen zu einer eindringlichen szenischen Revue verbunden. Die karge Ausstattung von Florian Parbs (basierend auf den Grundelementen Wasser, Steine, Sand) lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters trotz der Filmeinspielungen ganz auf den Inhalt. Erstaunlich, wie wenig man dem Stück die zusammengesetzte Machart anmerkt. Die israelische Seite wird dabei wesentlich differenzierter und auch selbstkritischer dargestellt als die palästinensische.

"Gegenseiten" lehrt, wie weit der Weg zum Frieden ist. Wo Menschen zu gefühllosen Monstern geworden sind (wie Kurdi Bear mit seinem Bulldozer), fällt es schwer, Brücken zu bauen. Einhelliger Beifall für das engagierte Ensemble, die Autoren und das Regieteam nach drei intensiven Stunden.

Von Theophil Hammer

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